Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

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Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen

24/2017: Tochter eines Überlebenden des KZ Sachsenhausen übergibt Erinnerungsstücke an die Gedenkstätte Sachsenhausen

10. April 2017

no.: 24/2017

Eichen- und Lorbeerkränze, Blumenmotive, humoristische Lagerszenen und kalligrafisch gestaltete Verse – nach den sehr schönen und von zahlreichen Mithäftlingen unterschriebenen Glückwunschkarten, die der Berliner Gewerkschafter und Sozialdemokrat Amandus Goldbeck (1907 – 1963) im KZ Sachsenhausen zu seinen Geburtstagen erhalten hat, muss er bei seinen Kammeraden sehr beliebt gewesen sein. Diese Glückwunschkarten sowie weitere Zeichnungen, Lagerbriefe, Dokumente und ein Liederbuch hat seine Tochter Jutta Goldbeck jetzt als Schenkung an die Gedenkstätte Sachsenhausen übergeben.

Bei der Übergabe des Nachlasses sagte Jutta Goldbeck heute in der Gedenkstätte Sachsenhausen: „Ich freue mich, dass die Erinnerungsstücke an die schlimmen Jahre, die mein Vater im KZ Sachsenhausen durchleiden musste, jetzt eine dauerhafte Bleibe in der Gedenkstätte finden. Mein Vater, der ein toleranter und kontaktfreudiger Mensch war, hat sich nach 1945 wieder mit ganzer Kraft in die politische Arbeit und in den Aufbau der Berliner Verwaltung gestürzt. Über die Vergangenheit wurde kaum gesprochen und auch die Zeichnungen aus dem KZ Sachsenhausen habe ich erst nach seinem Tod zum ersten Mal gesehen. Heute bedauere ich es sehr, dass so viele Fragen unbeantwortet geblieben sind“, sagte die 69-jährige Berlinerin.

Besonders wertvoll sind zwei Zeichnungen, auf denen Amandus Goldbeck selbst dargestellt ist: Sie zeigen ihn als Verwaltungsangestellten vor der Verhaftung „Einst im Büro“ und als KZ Häftling „Jetzt in der Unterkunftskammer“ der KZ-Kommandantur, wo Goldbeck zweitweise eingesetzt war. Ebenso eindrucksvoll ist auch ein Liederbuch mit zahlreichen Liedtexten und Tuschezeichnungen, die zum Teil Szenen aus dem KZ-Alltag darstellen.

„Um mehr über die Zeichnungen, ihre Urheber und ihre Entstehungsumstände zu erfahren, sind wir mit dem tschechischen Sachenhausen-Überlebenden Josef Dvo?ák in Kontakt“, sagte Sammlungsleiterin Monika Knop, die die Gegenstände mit großem Dank entgegennahm. „Dvo?ák kam 1939 als tschechischer Student in das KZ Sachsenhausen und war mit Goldbeck befreundet. Einige der Glückwunschkarten tragen seine Unterschrift. Er lebt heute 98-jährig in Olmütz und erinnert sich noch sehr gut an Goldbeck“, so Knop.

Der Gewerkschafter und Sozialdemokrat Amandus Goldbeck gehörte zu einer illegalen Berliner Reichsbanner-Widerstandgruppe. Nach seiner Verhaftung wurde er im August 1936 vom Berliner Kammergericht zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Während des Verfahrens hatte er sich beharrlich geweigert, die Namen von weiteren Mitgliedern der Widerstandsgruppe preiszugeben. Dies hat vermutlich mit dazu geführt, dass Goldbeck nach Verbüßung der Haftstrafe im September 1937 von der Gestapo in das KZ Sachsenhausen eingewiesen wurde.

Hier war er zunächst in der Baracke 26, später in der Baracke 4 untergebracht. Nach Einsätzen bei verschiedenen Baukommandos und im Klinkerwerk war er ab 1943 Schreiber in der Unterkunftskammer und später in der Verwaltungsabteilung der Kommandantur. Seine Befreiung erlebte er Ende April 1945 im Belower Wald, wo er offiziell entlassen wurde. Nach der Befreiung nahm Goldbeck, der schwer unter den Folgen der KZ-Haft litt, sein politisches Engagement in der Deutschen Angestelltengewerkschaft und in der SPD wieder auf und war zunächst bei der Berliner Polizei und später in der Senatsverwaltung tätig.

Der kostbare Nachlass von Amandus Goldbeck wird künftig zusammen mit den umfangreichen und wertvollen musealen und archivalischen Sammlungen der Gedenkstätte Sachsenhausen in einem neuen Depotgebäude aufbewahrt werden. Für die dauerhafte Unterbringung der Sammlungen nach modernen konservatorischen Standards wird derzeit ein historisches Gebäude im ehemaligen Industriehof des KZ Sachsenhausen saniert und umgebaut, das am 5. November 2017 mit einem „Tag der offenen Tür“ eröffnet wird.

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